Wissenschaft auf Umwegen
Im späten 19. Jahrhundert trat in Japan plötzlich eine mysteriöse Krankheit auf. Sie war auch in Europa nicht ganz unbekannt, trat in Japan aber mit einem Mal fast epidemieartig auf. Man gab der sonderbaren Erkrankung den Namen „Beriberi“ was soviel bedeutet wie „Ich kann nicht, ich kann nicht“. Aufgrund der vielschichtigen Symptomatik konnte das Krankheitsbild nicht eindeutig einer Ursache zugeordnet werden. Es kam zu Muskelschwäche, Schmerzen in den Gliedmaßen, Konzentrationsschwierigkeiten, Geh- und Sprach- und Gedächtnisstörungen, einem allgemeinen Leistungsabfall sowie Bewusstseinsbeeinträchtigungen. In einigen Fällen führte die Erkrankung sogar zum Tode. Ursprünglich wurden die Symptome für Lebensmittelvergiftungen oder Vergiftungen mit Schimmelpilzen gehalten.
In den 1870er Jahren wurde eine für die damalige Zeit innovative neue Technologie in Japan eingeführt - mechanische Reismühlen, mit den sich rasch der begehrte weiße Reis herstellen ließ, der durch diese Prozessierung weniger schnell verdarb und einfacher zu transportieren war.
Ein Marinearzt als Pionier
10 Jahre später untersuchte ein japanischer Marinearzt namens Takaki Kanehiro die Entstehung von Erkrankungen bei Matrosen auf Kriegsschiffen. Dabei erhielt ein Schiff als Verpflegung weißen Reis, ein anderes eine Mischdiät. Auf dem ersten Schiff erkrankten fast 50% der Mannschaft an Beriberi, auf dem andern Schiff weniger als 5 %. Takaki Kanehiro schloss daraus, daß es sich bei Beriberi um eine Art Mangelerkrankung handeln musste.
Erst knappe 50 Jahre später sollten Barend Coenraad Petrus Jansen und Willem Frederik Donath aus den Schalen von Reiskörnern Thiamin bzw. Vitamin B1 als erstes Vitamin der Geschichte isolieren.
Notorische Biertrinker können beruhigt aufatmen, denn Bierhefe hat einen relativ hohen Gehalt an Vitamin B1. Ansonsten ist dieses Vitamin vor allem in Vollkorngetreide, Sonnenblumenkernen, Macadamianüssen, Erbsen, Bohnen sowie in Schweinefleisch und Geflügel enthalten.
Vitamin B1 zur Vorbeugung von Demenz?
In den letzten 10 Jahren ist Thiamin als lebensnotwendiges Vitamin wieder vermehrt in den Fokus wissenschaftlicher Studien gerückt. So wurde z.B. festgestellt, daß Thiaminmangel mit einer verminderten Verwertung von Glucose und Sauerstoff im Gehirn von Alzheimerpatienten einhergeht. Außerdem soll eine dauerhafte Unterversorgung mit Thiamin auch die Bildung schädlicher „Plaques“ oder Ablagerungen im Gehirn begünstigen. Unglücklicherweise ist die Einnahme von Vitamin B1-Präparaten kein Heilmittel bei Demenz oder Alzheimer, von einem Zusammenhang wird aber mittlerweile ausgegangen.
Thiamin als Energie-Booster
Unabhängig von seiner Rolle bei Demenz-Erkrankungen dürfte eine langfristige Nahrungsergänzung mit Vitamin B1 positive Effekte auf den Energiehaushalt, auf die allgemeine geistige Verfassung sowie auf die Reaktionszeit haben, wie bereits mehrere Studien belegen konnten.
Da man seinen Vitamin B1-Bedarf letztlich trotzdem nicht ausschließlich über Bier abdecken sollte, empfiehlt sich eine abwechslungsreiche Ernährung mit verschiedenen Vollkornprodukten, um Körper und Gehirn langfristig und nachhaltig mit diesem wichtigen Vitamin zu versorgen.
- Kanehiro Takaki and the control of beriberi in the Japanese Navy. Sugiyama et al., 2013. Journal of the Royal Society of Medicine, 106(8).
- The Influence of Micronutrients on Cognitive Function and Performance. Hukisson et al., 2007. Journal of International Medical Research.
- Vitamin B1 (thiamine) and dementia. Gibson et al., 2016. Annals of the New York Academy of Sciences, 1667(1), pp. 21-30.
- Thiamine supplementation mood and cognitive functioning. Benton et al., 1997. Psychopharmacology 129(1), pp. 66-71.
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